Wenn Stress auf den Darm schlägt: Warum Depression nicht gleich Depression ist
- Pauline Linke
- 30. Juli
- 2 Min. Lesezeit


Depression ist kein einheitliches Krankheitsbild, sondern äußert sich bei jedem Menschen ein wenig anders. Für diese Vielfalt gibt es viele Erklärungen – eine besonders spannende liefert die integrative Sichtweise der klinischen Psycho-Neuro-Immunologie (kPNI). Hier stehen nicht nur unser Gehirn, sondern besonders auch unser Bauch, genauer: unser Mikrobiom, und die untrennbar mit Stress verbundene Hormonachse im Zentrum der Aufmerksamkeit.
Körper, Geist und Darm: Ein dynamisches Team
In der kPNI wird der Mensch als Einheit aus Psyche, Nervensystem, Immunsystem und Stoffwechsel betrachtet. Eine zentrale Rolle spielt die Darm-Hirn-Achse, über die unser Bauchgefühl und unsere Stimmung miteinander verknüpft sind. Darmbakterien steuern nicht nur die Verdauung, sondern beeinflussen direkt die Produktion von Botenstoffen wie Serotonin oder GABA, die auch unsere Emotionen steuern.
Stress als Schlüsselmechanismus
Ein wichtiger „Mittelsmann“ zwischen Psyche und Körper ist die sogenannte Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (kurz: HPA-Achse). Sie steuert unsere Stressreaktion, indem sie Stresshormone wie Cortisol freisetzt. Gerade bei einer unipolaren Depression finden sich häufig Fehlregulationen in dieser Hormonachse – das ist einer der am besten belegten biologischen Befunde bei psychischen Erkrankungen.
Doch Stress wirkt nicht nur auf das Gehirn: Chronischer Stress kann auch die Vielfalt der Darmbakterien senken, was wiederum das Risiko für depressive Verstimmungen erhöht. Andersherum zeigt die Forschung deutlich: Das Darmmikrobiom beeinflusst, wie die HPA-Achse sich im Laufe des Lebens entwickelt und funktioniert. Das heißt, was in unserem Darm los ist, spielt eine aktive Rolle dabei, wie unser Körper auf Stress reagiert und ob die Stressregulation aus dem Gleichgewicht gerät.
Mikrobiom, Entzündung und Stimmung
Eine reduzierte Vielfalt der Darmbakterien, wie sie bei chronischem Stress oder einseitiger Ernährung entsteht, kann Entzündungsprozesse begünstigen und die Produktion wichtiger Neurotransmitter stören. Das Ergebnis: Signale zwischen Darm und Gehirn werden aus dem Takt gebracht – depressive Symptome verstärken sich oder treten zum ersten Mal auf. Auch ein „leaky gut“, eine durchlässige Darmwand, fördert unterschwellige Entzündungen, die mit Depressionen in Zusammenhang stehen.
Was können wir tun?
Die gute Nachricht: Wir sind dieser Wechselwirkung nicht hilflos ausgeliefert. Ernährung, Bewegung und Stressmanagement fördern die Darmgesundheit und wirken so indirekt auf unsere seelische Balance ein. Ballaststoffreiche Ernährung, fermentierte Lebensmittel und bewusste Auszeiten stärken das Mikrobiom und helfen, die HPA-Achse zu balancieren. Ebenso wirken Achtsamkeit oder gezielte Entspannungsübungen positiv auf das Stresssystem – und darüber sogar auf unser Mikrobiom.
Fazit
Depression ist nicht allein Kopfsache. Gerade dauerhafter Stress, eine gestörte Hormonregulation und ein aus dem Gleichgewicht geratenes Mikrobiom greifen ineinander – und bestimmen gemeinsam, wie wir uns fühlen. Ganzheitlich betrachten lohnt sich: Denn oft liegt einer der Schlüssel zur Stimmungsaufhellung tatsächlich im Bauch. Wer Stress reduziert und seinen Darm pflegt, und sich bewegt, tut auch seiner Psyche Gutes.
Literatur:
Psyche und Darm: Wie Dein Mikrobiom das Risiko für Depression beeinflusst! (wissenschaftlich belegt): https://www.youtube.com/watch?v=tvB3B6CvcsE
Gute Bakterien gegen Depression: https://www.unibas.ch/de/Aktuell/News/Uni-Research/Gute-Bakterien-gegen-Depressionen.html
Mikrobielle Signatur: Darmbakterien können Depressionen beeinflussen: https://www.mdr.de/wissen/darm-darmgesundheit-bakterien-darmbakterien-depressionen-100.html
Mikulska J, et al. HPA axis in the pathomechanism of depression and schizophrenia: new therapeutic strategies based on its participation. Brain Sci. 2021 doi: 10.3390/brainsci11101298
Madison A, Kiecolt-Glaser JK. Stress, depression, diet, and the gut microbiota: human-bacteria interactions at the core of psychoneuroimmunology and nutrition. Curr Opin Behav Sci. 2019;28:105–110. doi: 10.1016/j.cobeha.2019.01.011
Sudo N, et al. Postnatal microbial colonization programs the hypothalamic-pituitary-adrenal system for stress response in mice. J Physiol. 2004;558(Pt 1):263–275. doi: 10.1113/jphysiol.2004.063388
Comments